Let’s talk about…Kinderpflege – Lehrer-Edition
Hallo lieber Micha, danke, schön, dass du dich als Interviewpartner bereiterklärt hast! Es soll heute um die Kinderpflege gehen – ein Ausbildungsgang, in dem du als Lehrkraft tätig bist. Das Ziel des Ganzen ist es, den Ausbildungsgang Kinderpflege für unsere Interessent*innen und alle Neugierigen darzustellen. Du übernimmst sozusagen die Lehrer-Perspektive. Danke dafür! Aber first things first: Bitte stell dich unseren Leser*innen erst einmal vor.
Hallo, ich bin Michael Hein und seit 2019 bin ich Lehrkraft an der bunta.Â
„Für mich ist Authentizität entscheidend“
Lieber Micha, was steckt denn nun hinter dem Begriff „Kinderpflege“? Was bedeutet er?
Kinderpflege beinhaltet eine pädagogische sowie eine pflegerische Komponente. Im pädagogischen Handlungsfeld geht es um Dinge wie Bildung, Erziehung, Betreuung, aber auch Spiel, Singen, Kommunikation allgemein, Elternarbeit usw. Das pflegerische Handlungsfeld umfasst natürlich die spezielle Körperpflege von Kindern, das Wickeln, die Gestaltung von Mahlzeiten, das An- und Ausziehen und vieles mehr. Beides zusammen ergibt das Berufsbild des Kinderpflegers*der Kinderpflegerin, der*die z. B. in einer Kita als Assistenzkraft arbeiten kann. Und nicht zu vergessen: Für viele ist die Ausbildung zur*zum Kinderpfleger*in das Sprungbrett zur Erzieherausbildung, für die ja die Mittlere Reife eine Voraussetzung ist. Kinderpfleger*in kann man bereits mit der Berufsreife werden.
Lass uns zusammen mal ganz an den Anfang gehen: Jemand interessiert sich für den Ausbildungsgang Kinderpflege und überlegt diesen bei uns an der bunta anzutreten. Welche Charaktereigenschaften sollte der Interessent bzw. die Interessentin mitbringen? Welche Motivation? Vielleicht sogar auch schon, welche Fähigkeiten und Kompetenzen?
Für mich ist Authentizität entscheidend. Wenn du aufrichtig bist, deine Werte und Interessen klar benennen kannst, dann ist das die Basis für viele Dinge, die du brauchst, um in diesem Beruf Fuß zu fassen. Echt sein. Natürlich solltest du ein großes Interesse an der kindlichen Entwicklung mitbringen. Du solltest empathisch sein und stets neugierig. Der Beruf, aber auch die Ausbildung selbst, erfordert eine gewisse Haltung. Und diese Haltung versuchen wir hier zu vermitteln bzw. wir möchten unsere Schüler*innen dazu inspirieren, eine eigene Haltung zu entwickeln. Von Vorteil sind natürlich Praktika in Kitas oder in anderen sozialen Berufen – das ist aber kein Muss. Auch ein Bundesfreiwilligendienst im Vorfeld kann dazu beitragen, dass man realistische Vorstellungen von dem Berufsbild bekommt.
Wir bleiben mal in der Zeit vor dem Ausbildungsstart. Viele Interessent*innen fragen sich, wie der Bewerbungsprozess an der bunta abläuft. Sie sind nervös und wissen nicht, was sie erwartet. Vielleicht kannst du ihnen etwas Anspannung nehmen und beschreiben, wie der Bewerbungsprozess abläuft. Gibt es ein besonderes Auswahlverfahren? Worauf achtet ihr als Lehrkräfte?
Der Bewerbungsprozess erfolgt in der Regel über unseren Ausbildungsberater. Herr Uth vereinbart im Anschluss Termine für ein Auswahlverfahren. Bei diesem Termin lernen wir uns kennen, kommen locker ins Gespräch und können eventuelle Fragen klären. Natürlich möchten wir auch einschätzen, ob wir die Bewerber*innen in der nächsten KIP-Klasse aufnehmen möchten – mit dem klaren Ziel, die Ausbildung erfolgreich zu beenden. Dazu haben die Bewerber*innen in dem Auswahlverfahren einige wenige Aufgaben zu meistern, die allesamt keinerlei Vorerfahrung voraussetzen. Wir möchten vor allem sehen, wie die potenziellen Schüler*innen spontan auf neue Dinge reagieren. Daraus leiten wir dann ab, ob wir uns den Weg gemeinsam vorstellen können. Manchmal empfehlen wir auch im Nachgang z. B. ein freiwilliges soziales Jahr, um den Berufswunsch tatsächlich zu festigen oder um noch mehr Erfahrungen in dem Feld zu sammeln.
„Die große Gemeinsamkeit ist die Unterschiedlichkeit.“
Erkennst du eigentlich ein, sagen wir mal, „Muster“ unter den Bewerber*innen bzw. unter unseren Auszubildenden der Kinderpflege? Beispielsweise Charaktereigenschaften und Motivationen, die sie alle innehaben?
Die große Gemeinsamkeit ist die Unterschiedlichkeit und genau das macht es für mich auch aus. Besonders spannend ist dann die Entwicklung, die die Klassen innerhalb kurzer Zeit machen. Nicht nur, dass sie fachlich immer sicherer werden, sondern die ganze Art und Weise des Umgangs untereinander verändert sich. Unsere Schüler*innen dabei zu begleiten und zu unterstützen, ist immer wieder sehr schön. Mit anderen Worten: Unsere Schüler*innen sind aufgrund der Vielfalt großartig und als Gruppe macht es wahnsinnig viel Spaß, diese Prozesse zu erleben.
Das klingt wirklich schön. Nicht nur, dass sie so vielfältig sind, sondern auch, dass sie den Raum haben, sich – auch gemeinsam – weiterzuentwickeln. Aber lass uns nun in die Ausbildung eintauchen. Was erwartet die Schüler*innen im Laufe ihrer Schulzeit? Welche Fächer und Module gehören zum Pflichtprogramm?
Tatsächlich haben wir sehr, sehr viele Fächer in der Kinderpflege. Einerseits gibt es die fachübergreifenden Fächer. Das sind so klassische Schulfächer wie Deutsch, Sozialkunde, Mathematik, Philosophie und Sport. Den Großteil macht aber der Bereich der fachspezifischen Fächer aus. Unsere Schüler*innen können sich auf eine bunte Palette einstellen und freuen – von Pädagogik, Psychologie, Spiel, Methoden- und Praxislehre, Musik, spezielle Kinderkrankenpflege, Ernährungslehre, Familien- und Arbeitsrecht… und das ist längst nicht alles! Und dazu kommen natürlich noch die Praktika!
„Aus den Ideen der Schüler*innen kann ganz Großes entstehen.“
Das ist wirklich eine bunte Palette! Und zeigt auch nur wieder, wie vielfältig der Beruf der Kinderpfleger*in ist. Abgesehen davon, ist es den Lehrkräften an der bunta ja auch sehr wichtig, mit einer großen Methodenvielfalt zu arbeiten. Wie sieht es an dieser Stelle aus? Gibt es z. B. besondere Projekte, die die Schüler*innen im Laufe ihrer Ausbildung bearbeiten?
Auf jeden Fall gibt es die. Das ist jedoch von Klasse zu Klasse verschieden. Es bringt ja nichts, jedes Jahr dasselbe Projekt anzubieten, einfach nur „weil es immer so war“. Wir finden es sinnvoller, an den Stärken der Klassen anzuknüpfen und gemeinsam Projektideen zu entwickeln. Daraus können ganz unterschiedliche Dinge entstehen. Ich erinnere mich an eine KIP-Klasse, die sich das Thema „Vielfalt und Schutz vor Diskriminierung“ ganz eigenständig auf die Fahne geschrieben hatte und daraus einfach ein internes Projekt machte. Von daher: Wenn Schüler*innen eigene Ideen mitbringen und sich trauen, sie in den Unterrichtskontext einzubinden, dann kann wirklich Großes entstehen. Und natürlich geben wir als Lehrteam ebenfalls Impulse rein.
Sicherlich können die Schüler*innen so auch die Theorie viel besser verinnerlichen. In ihren Praktika durchleben sie natürlich den tatsächlichen Berufsalltag. Aber durch solche Schulprojekte werden sie auch an der bunta praktisch tätig. Aber nun Hand aufs Herz: Was macht den Ausbildungsgang Kinderpflege so wertvoll? Warum braucht es geschulte Kinderpfleger*innen?
Das würde ich philosophisch beantworten wollen (Berufskrankheit als Philosophielehrkraft): Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt. Ich glaube, Gandhi hat verdammt recht damit. Und wenn Menschen zusammenkommen, um nichts Geringeres als die eigene Zukunft zu verändern (und man kann nur die eigene Zukunft verändern, nie die der anderen), dann entsteht aus dieser Mitte eine immense Kraft. Diese Energie aufzugreifen, sie zu bündeln und für etwas Gutes einzusetzen, das ist das, was bedeutsam ist. Es braucht gute Kinderpfleger*innen, wie es auch gute Verkäufer*innen oder Dachdecker*innen braucht. Wenn sich Menschen bewusst dafür entscheiden, sich in ihren eigenen Interessen weiterzuentwickeln, ihre eigenen Fähig- und Fertigkeiten erweitern wollen, dann ist das einfach gut. Und es braucht genau solche Menschen.
Sprungbrett KinderpflegeÂ
Das ist wirklich schön gesprochen. Aber apropos „eigene Zukunft“, denn das ist etwas, das viele Interessent*innen beschäftigt: Welche Zukunftsperspektiven hat jemand mit einem Abschluss zur Kinderpflegerin bzw. zum Kinderpfleger?
Auch das ist schwer zu pauschalisieren. Die*der Kinderpfleger*in ist erstmal eine Assistenzkraft und der Markt dafür ist relativ überschaubar. Es steht und fällt mit der Entscheidung der Träger, ob sie KIPs einstellen oder nicht. Wir haben einige Absolventinnen und Absolventen, die Tagesmütter und -väter geworden sind oder auch im Bereich der Familienpflege tätig sind. Für die allermeisten ist der KIP aber wirklich der Start in die Ausbildung Sozialassistenz und dann zur*zum Erzieher*in oder Heilerziehungspfleger*in. Mit den genannten Abschlüssen sind die Chancen definitiv größer. In anderen Bundesländern ist die*der Kinderpfleger*in jedoch auf einer Ebene mit der*dem Sozialassistent*in angesehen. Es ist wirklich eine individuelle Einschätzung in Bezug auf die Berufschancen.
Wie würde denn der Arbeitsalltag von Kinderpfleger*innen aussehen? Was ist ihr „daily doing“? Welche Herausforderungen erwarten sie vielleicht auch?
Kinderpfleger*innen arbeiten mit Kindern von 0 bis 6 Jahren, also in der Regel in einer Kindertagesstätte. Dazu gehört natürlich auch die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit den jeweiligen Familien. Jeder Mensch nimmt unterschiedliche Dinge als herausfordernd wahr. Es können familiäre Hintergründe sein, die einen beschäftigen. Es können Konflikte innerhalb einer Kindergruppe sein, die eine Fachkraft herausfordern. Das ist super unterschiedlich. Der Alltag ist vor allem bunt und gespickt mit vielen diversen Aufgaben. Das finden unsere Schüler*innen im Praktikum schnell selbst heraus.
Dass der Alltag und die Tätigkeiten bunt sind, zieht sich durch diese Schule wirklich wie ein roter Faden. Ziemlich sicher ist dein Arbeitsalltag auch vielfältig. So viele Erlebnisse und Situationen mit so vielen individuellen Schüler*innen…Aber hast du als Kinderpflege-Lehrkraft ein absolutes Highlight?
Ganz klar der Start. Diese Aufregung, die greifbar ist. Das Kennenlernen ist immer ein Highlight. Und der Moment der Zeugnisübergabe und das Wiedersehen in der Sozialassistentenausbildung.
Gibt es da eine Geschichte, an die du dich besonders gerne zurückerinnerst?
Extrem viele. Und jede einzelne Geschichte ist großartig.